Bau des Elektrizitätswerks Radstadt 23.12.1901 – Augenzeugenbericht

Das Drängen, ein Elektrizitätswerk zu bauen, setzte immer wieder von neuem ein und von allen Seiten wurden mir Ratschläge erteilt. Anichhofer war geneigt dazu, denn das elektrische Werk erschien ihm eine Goldquelle, wie man es uns auch vorgemalt hatte. Ich sagte ihm aber in bestimmtester Weise, dass wir zwei allein dazu zu wenig Geld haben, denn es koste viel mehr, als man uns vormache. Wir müssen also einen kapitalkräftigen Dritten bekommen, der der eigentliche Geldgeber ist. Anichhofer stimmte dieser Anschauung bei.

Eines Tages kam Anichhofer zu mir und sagte mit freundlicher Miene: “Du, jetzt habe ich einen Dritten, es ist der Wagenbichler, mit diesem können wir dem Bau nähertreten.” Und Herr Wagenbichler wurde der Dritte in unserem Bunde. Gföller war bei der Installation in Admont und empfahl uns schon des öfteren, die dortigen elektrischen Anlagen zu besichtigen. Beistehende Karte vorderseitig zeigt uns, wie er uns dazu eingeladen hat. So fuhren wir alle drei hinunter, besichtigten die elektrische Anlagen im Sägewerk Gerstle und hauptsächlich im Stift, wo uns der P. Bullermeister reichlich mit Wein traktierte.

Zweite Studienreise zum Bau eines elektrischen Werkes 1900. Er munterte uns durch Wort und Beispiel zum Trinken auf und der außergewöhnlich gute Wein war unser bester Gesellschafter bis Radstadt. Was wir drei da bei bester Weinlaune beschlossen, sollte nun auch zur Wirklichkeit werden. Noch im Jahre 1900 wurden die Verträge abgeschlossen mit der Firma Siemens und Halske in Wien. Herr Ingenieur Winter war der Vertreter der Firma und verfertigte das Projekt für den Maschinenbau, ein anderer Ingenieur das Projekt für den Wasserbau. Die Maurerarbeiten wurden Herrn Delaschiawa, Mauermeister aus Öblarn, übergeben, der Erdaushub einem gewissen Bittermann, Eisenbahnunternehmer. Der Aushub war veranschlagt auf 503 Meter a 55 Helfer im oberen Wasserkanal, im unteren Wassergraben 2.653 Meter mit Lieferung zu den oberen Wasserstaudämmen, dann das Pilotieren im oberen Wassergraben, 532 Piloten a 7 Kr.

Im Frühjahr 1901 wurde mit dem Baue begonnen. Es wurde die alte Kerschbaummühle gänzlich abgetragen und wurde das neue Haus in der Größe der alten Mühle und der Maschinenraum fertiggestellt. Dann wurde mit dem Aushub der Turbinenkammer und des Turbinenvorraumes begonnen. Bei dieser Arbeit musste auch das Haus unterfangen werden. Bei diesen Ausgrabungen kamen eine Unmenge Piloten zum Vorschein, die sogar 3 bis 4 Mal übereinander waren. Zudem hatten wir das Malheur, dass sehr viel Unterwasser war, sodass unsere Pumper gleich null waren.
Ich fuhr nach Salzburg zum Kunstmüller Fisslthaler, der in der Politik mein Freund war und holte mir Rat bei ihm. Fisslthaler hatte große diesbezügliche Erfahrung bei seinem Mühlenbau erworben. Er verhalf uns zur leihweise Überlassung der Dampfpumpe der Stadt Salzburg und kam selbst zu uns herein, um den Wasserbau auszuführen. Er führte Betonarbeiten persönlich durch, da uns Maurermeister Delaschiawa verlassen hatte, obwohl vereinbart war, dass er fix und fertig alles herstelle. Es war eine Lumperei von ihm, doch weil er nichts hatte, ließen wir ihn gutwillig aus.

Fisslthaler arbeitete unermüdlich mit den Betonarbeitern und mit der Salzburger Dampfpumpe, welche in der Sekunde 30 Liter Wasser beförderte. Aber die Betonmauern, die hineingemacht wurden, verschwemmte es immer wieder. So vergingen gut 4 Wochen und außer einigen Tiefergrabungen waren wir gar nicht vorwärts gekommen; nur 4-6 Waggon Zement waren verschwemmt. Fisslthaler sah nun ein, dass seine Arbeit beim besten Willen nichts helfe, dass die Pumpe viel zu schwach sei, und er riet, dass wir bei der Firma um einen praktischen Betonmeister uns umsehen sollten. So fuhr Wagenbichler nach Wien zum Ing. Winter, und sie fuhren dann zusammen nach Aspang, wo der Betonmeister Ing. Wartasohn eine solche Arbeit gerade zu Ende führte.

Es wurde dann von einem gewissen Neumann in Wien eine Dampfmaschine geborgt, ein Maschinist hinzu und 6 Mann Ungarn unter Vorarbeiter Trunener. Die Maschine wurde aufgestellt, die Pumpe, wovon eine in der Sekunde 100 Liter, die andere 50 Liter beförderte, wurde eingesetzt und die Arbeit begonnen. Nun ging aber der Hexentanz erst recht los. Kaum hatten wir eine Stunde gepumpt, musste die Maschine abgestellt werden, und kaum hatten wir wieder gepumpt, war wieder das gleiche. So ging es gegen 3 Wochen hin und wir waren sozusagen um gar nichts vorwärts gekommen. Trotzdem musste bei Nacht auch immer gearbeitet werden und sie hatten dort doppelte Schicht. Ebenso hatten sie doppelte Schicht an Sonn- und Feiertagen.

Am 8. September kam ich hinaus zum Bau und sie sagten, dass sie heute wieder arbeiten werden. Ich war etwas kritisch und sagte: “Was wollt ihr denn arbeiten, wenn doch alles umsonst ist und nicht! Entweder geht etwas oder wir lassen den Bau stehen. Es wird schon ein Mittel geben, dass es vorwärts geht und deshalb werde ich dem Ing Warthason heute telegraphieren!” Ich ging davon, da gingen mir der Maschinist und der Vorarbeiter nach und sagten, sie wüssten schon ein Mittel, man müsse das Vorgelege wegtun und direkt ankuppeln. Dazu müssten wir die Maschine überstellen und das dauert 3-4 Tage. Ich sagte sehr barsch: “Wir haben nun schon sehr lange umsonst gearbeitet, so kann es nicht mehr weitergehen, also probierts auch das noch!”

Ich kam gegen 4 Uhr wieder hin, da war die Maschine schon überstellt, das Vorgelege weg und mit einem langen Riemen, welchen sie selbst bei sich hatten, direkt mit der Pumpe verbunden und das ganze Werkel ging nun spielend leicht. Von da an war die Arbeit eine Freude und ich war fast ununterbrochen Tag und Nacht dabei. So praktisch und flott wurde nun gearbeitet, dass wir am 23. Dezember 1901 das Werk eröffnen konnten und Radstadt nun im elektrischen Licht erstrahlte.

Es waren nun angenehme Weihnachten auf diese kolossalen Strapazen hin. Ich bin mir heute noch nicht klar, ob diese Leute aus Berechnung so handelten, damit sie länger den guten Verdienst haben, oder aus Unklugheit. Zu den Ingenieuren sagte ich nur, dass sie es doch hätten verstehen sollen, welche Schwierigkeiten ein solcher Bau in sich birgt, da sie ja schon gegen 100 solche Projekte geführt hätten. Gföller war Bauführer und auch er handelte ganz verkehrt, und so kommt mir das ganze Vorgehen dieser Leute als eine Schikanerie vor. Drum ist es das Beste, man greift selber immer fest zu, sucht sich Kenntnisse zu erwerben, weil man sich nur auf wenige verlassen kann.

 

Erzählung von Josef Habersatter zu Weißenhof, 1901