In der modernen Zeit angekommen (Ein Gastbeitrag)

Sie ist da, die moderne Zeit. Die Zeit der Technik und des Fortschritts. Voran man des merkt? Am besten bei einer Outdooraktivität, idealerweise im Winter.

Es ist Freitagabend, das Wochenende steht bevor und es kommt die Frage auf, was man denn so tun könne. Wie wäre es mit skifahren? Ob das Wetter dafür entsprechend ist? Und ist nicht auch Urlauberschichtwechsel? Da könnte ja viel los sein, oder? Das Smartphone ist schnell bei der Hand. Das ORF-Wetter verspricht für morgen Vormittag noch ungetrübte Sonnenstunden, ehe die ersten Wolken von Osten herziehen. Das klingt ja schon mal nicht schlecht. Also werden die Ski vorbereitet und der Wecker gestellt, um nicht zu verschlafen.

Samstag Morgen werde ich mit den halbstündlichen Nachrichten geweckt. Kaum die Augen auf, höre ich schon News aus aller Welt. Noch vor der Morgentoilette weiß ich, wo sich die ersten Staus bereits bilden, vorzugsweise in Skigebieten, wie Beispielsweise aus dem Zillertal fahrend. Nur gut, dass wir hier im Salzburger Land sind, da ist’s noch ruhig, wie Webcams entlang der Autobahn beweisen. Wie es wohl beim Lift aussieht? Um fünf nach acht glänzen auf meinem Bildschirm noch unbefahrene Pisten an der Talstation in der aufgehenden Sonne. Der Lift ist noch verwaist, also schnell in die Skihose, Jacke anziehen und bloß nicht auf die Datenskibrille vergessen! Die bekomme ich kurz vor halb neun an einem Intersport Rent Standort und wird mir für die kommenden zwei Stunden alle Infos zu Piste und Umgebung liefern, denn wer schon immer wissen wollte, wie die kleinen Wege abseits der Pisten und die umliegenden mächtigen Berge heißen, der sollte nicht auf die Datenskibrille verzichten.

Mit dem ersten Ansturm an der Talstation bewege ich mich euphorisch Richtung Gondel, die munter den Berg raufsaust – ständig im Blick der Seilbahntechniker, die den ungestörten Betrieb im Auge behalten. Früher hießen sie Liftler, heute sind sie perfekt ausgebildete Techniker, die laufend mit Schulungen auf dem neuesten Stand gehalten werden. So wie bei den Automechanikern, die bei einem defekten Fahrzeug nicht erst zu Schlüssel und Licht greifen, sondern den Laptop holen und ans Auto anschließen.

Exakt zwölf Minuten später verlasse ich die mit 10 Personen befüllte Gondel. Zwölf Minuten, die ich mit dem Handy in der Hand verbrachte, so wie all meine Sitznachbarn und die Reihe vis a vis. Konversation war gestern – heute wird im Lift gefacebookt und gewhatsappt, dank W-LAN im gesamten Skigebiet sogar völlig umsonst.

Kaum ausgestiegen, schnalle ich die Ski an und begutachte die Landschaft durch die Datenskibrille. Ich bekomme nicht nur den aktuellen Lift- und Pistenstatus vors Auge serviert, sondern Wetterinformationen und die Entfernung zum nächsten Lift. Zudem gibt’s noch Features, die interessante Plätze anzeigen, die Kalorien zählen, die aktuelle Geschwindigkeit darstellen und zudem auf die Pistenregeln verweisen. Es ist ein wahrer Balanceakt, sich auf die Piste und die anderen Skifahrer zu konzentrieren, wenn einem die Buchstaben neben den Augen herumtanzen, doch da wurde von den Entwicklern vorgesorgt. Standardmäßig wird ab 20km/h das Display deaktiviert.

So manch Pisten, die mir per Brille angezeigt werden, nehme ich in Angriff und dabei kommen mir geübte und weniger geübte Skifahrer unter. Auffallend dabei ist, dass fast jeder einen Helm trägt – inklusive der GoPro-Halterung und aktivierter Kamera auf dem Kopf. Von allen Seiten fühle ich mich beobachtet und bestimmt bin ich bei dutzenden Videos zu sehen, die dann nicht nur zuhause auf der Couch mit Oma und Opa bewundert werden, sondern auch auf YouTube landen. Früher fuhr man Ski, und wenn man stürzte, rappelte man sich auf und fuhr weiter. Heute muss man damit rechnen, dass der Sturz aus drei Blickwinkeln in HD und Zeitlupe im Internet zum Hit wird.

Auffallend, neben den vielen Kameras, sind auch die Headsets. Nicht nur einmal kommt mir eine Gruppe Jugendlicher unter, die lautstark über Funkgeräte mit angeschlossenem Headset während des Fahrens laut miteinander kommunizieren. Der Höhepunkt ist jedoch, dass eine Gruppe der hochtechnisierten Jungs sogar im Lift getrennt fahren, nur um weiter über Kopfhörer plaudern zu können. Das ist gelebte moderne Konversation! Der Rest der Skifahrer vertieft sich in der Gondel in sein Smartphone und versucht, das halbstarke Gequatsche des Headset-Besitzers zu ignorieren. Ähnlich dürfte die Situation wohl auch zwei Gondeln vorne und drei Gondeln hinten sein.

Gegen Mittag kündigt meine Datenskibrille die erste Wolkenfront an. Wie praktisch, denn ein Blick in den Himmel wird mir erspart. Ich fahre also talwärts, gebe die Brille zurück und begebe mich zum Auto. Kaum zuhause angekommen, logge ich mich auf Skiline ein und sehe, welche Pisten ich absolviert habe, welche Lifte genutzt wurden, wie viele Höhenmeter geschafft waren und die gefahrenen Kilometer. Nebenbei poste ich ein Bild auf Facebook und Instagram und hinterlasse einen Feed auf Twitter. Jeder sollte wissen, dass ich einen perfekten Skitag hatte – mit viel frischer Luft und Sonnenschein. Perfekt, um den Alltag zu vergessen.